Mit einem Urteil hat das Finanzgericht Münster entschieden, dass ein Finanzamt im vorläufigen Insolvenzverfahrens unter Eigenverwaltung, die Umsatzsteuer nicht als Masseverbindlichkeit gegenüber dem späteren Insolvenzverwalter festsetzen darf.
Gegenstand der Klage waren Umsatzsteuerzahlungen einer GmbH, welche im vorläufigen Insolvenzverfahrens vom zuständigen Finanzamt festgesetzt wurde und nach einer Erstattung als Masseverbindlichkeit festgesetzt und zugleich als Insolvenzforderung angemeldet wurden.

Ein vorläufig bestellter Sachwalter hatte geklagt.

Umsatzsteuer und Erstattung

Im Sachverhalt ging es um eine GmbH, welche die Eröffnung des Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung beantragte. Im vorläufigen Insolvenzverfahren wurden sodann die festgesetzten Umsatzsteuerbeträge an das zuständige Finanzamt geleistet. Nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens wurde der vorläufige Sachwalter zum Insolvenzverwalter bestellt. Er focht die geleisteten Umsatzsteuerzahlungen an, was zur einer Erstattung dieser Beträge führte.
Daraufhin setzte das Finanzamt diese Beträge nunmehr gegenüber dem Kläger als Masseverbindlichkeit fest und meldete sie zugleich als Insolvenzforderung an

Masseverbindlichkeit

Das Vorgehen des Finanzamtes entsprach dabei jedoch nicht der Auffassung des Klägers. Er war der Meinung das die Beträge vom Finanzamt nicht als Masseverbindlichkeit festgesetzt und zugleich als Insolvenzforderung angemeldet werden können.

Das FG gab der Klage vollumfänglich statt:

 

  • Das Finanzamt darf die im vorläufigen Insolvenzverfahren unter Eigenverwaltung entstandenen Umsatzsteuern nicht als Masseverbindlichkeiten gegenüber dem späteren Insolvenzverwalter festsetzen, da es sich lediglich um Insolvenzforderungen handelt. Durch die erfolgreiche Insolvenzanfechtung lebt die ursprünglich erloschene Steuerforderung zwar wieder auf; sie kann jedoch nicht als Masseverbindlichkeit qualifiziert werden.
  • Zunächst ist nicht davon auszugehen, dass im Rahmen der vorläufigen Eigenverwaltung ausschließlich Masseverbindlichkeiten begründet werden können, da ansonsten die Insolvenzmasse zulasten aller Gläubiger aufgezehrt werden würde. Es handelt sich auch nicht um eine von einem vorläufigen Insolvenzverwalter oder vom Schuldner mit dessen Zustimmung begründete Verbindlichkeit im Sinne von § 55 Abs. 2 bzw. Abs. 4 InsO, weil bei der vorläufigen Eigenverwaltung gerade kein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt wird.
  • Diese Vorschriften sind auch nicht analog anzuwenden, weil einem vorläufigen Sachwalter – im Gegensatz zum vorläufigen Insolvenzverwalter – keine insolvenzspezifischen Befugnisse zugewiesen sind und der Gesetzgeber diese unterschiedliche Rechtsstellung bewusst eingeführt hat.
  • Aus dem verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) folgt kein Gebot, den vorläufigen Sachwalter mit einem vorläufigen Insolvenzverwalter gleichzustellen. Vielmehr hat der Gesetzgeber durch die Einräumung der Möglichkeit einer vorläufigen Eigenverwaltung das Ziel verfolgt, Schuldnern den Zugang zu diesem Verfahren zu erleichtern und durch Erhaltung ihrer Verfügungsbefugnisse das Vertrauen ihrer Geschäftspartner zu sichern.
  • Auch das Unionsrecht gebietet keine derartige Gleichstellung. Da die vorläufige Eigenverwaltung von einer Entscheidung des Insolvenzgerichts abhängt, handelt es sich nicht um eine für eine europarechtswidrige Beihilfe erforderliche selektive Vorteilsgewährung. Ein Wettbewerbsvorteil ergibt sich ebenfalls nicht, weil die Umsatzsteuer unabhängig davon einen durchlaufenden Posten darstellt, ob sie als Masseverbindlichkeit oder als Insolvenzforderung qualifiziert wird.